Rundbrief 2025-08 Besondere Gebete

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief August 2025!

Dietrich Bonhoeffer war evangelischer Theologe und Pfarrer. In seiner Haft im Gefängnis Berlin Tegel hatte er Kontakt mit dem evangelischen Gefängnisseelsorger Harald Poelchau.

Er wurde am 5. Oktober 1903 in Potsdam geboren und starb am 29. April 1972 in West-Berlin. In den Berliner Gefängnissen Tegel, Plötzensee und Moabit begleitete er zahlreiche inhaftierte Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Er übermittelte Nachrichten an Angehörige und begleitete über 1000 zum Tode Verurteilte bis zu ihrer Hinrichtung und half Juden, indem er und seine Frau Dorothee für sie Unterkünfte, gefälschte Papiere, Nahrungsmittel und Kleidung organisierte. Diese Hilfstätigkeiten wurden von den Nationalsozialisten nicht entdeckt. Aufgrund seiner verdeckten Widerstandstätigkeiten gegen das NS-Regime wurde Harald Poelchau im Jahre 1971 von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern geehrt. Bonhoeffer wurde von Yad Vashem nicht nachträglich als Gerechter unter den Völkern geehrt!

Der deutsche Journalist Klaus Harrprecht (1927 – 2016) schreibt in seinem Buch über Harald Poelchau: „Harald Poelchau konnte den Bewunderten [Dietrich Bonhoeffer] ein Dreivierteljahrlang fast täglich besuchen. Bonhoeffer sei bei ihren Gesprächen, schrieb er, ‚ganz eindeutig der Gebende‘ und er ‚der Nehmende‘ gewesen … Harald Poelchau war von der ‚sehr persönlichen, vom Konventionellen abweichenden Frömmigkeit‘ Bonhoeffers fasziniert, die auch den ‚Gottlosen‘ nicht ausschloss … Harald Poelchau nahm mit Erstaunen wahr, dass der Einfluss Bonhoeffers auf die Mitgefangenen und das Militärpersonal … so groß war – und sein Charme … so infektiös -, dass ‚er wie in Freiheit‘ gelebt hat … Vor dem Weihnachtsfest 1943 bat Poelchau seinen bedeutendsten Häftling …, ein Gebet zu formulieren, das alle Gefangenen mitbeten könnten.“ (Klaus Harpprecht: Harald Poelchau. Ein Leben im Widerstand, Reinbek 2007, S. 140 – 142)

Aus Sicherheitsgründen mussten wohl die Kontakte und Gespräche zwischen Bonhoeffer und Poelchau verdeckt bleiben, sodass über den Inhalt dieser nichts bekannt ist. Lediglich in einem Gefängnisbrief Bonhoeffers an seinen Freund Eberhard Bethge vom 18.11.1943 wird Poelchau indirekt erwähnt: „Du weißt ja, daß man mir hier sogar den Pfarrer [Harald Poelchau] versagt hat; aber selbst wenn er gekommen wäre – und ich bin eigentlich ganz froh, daß ich nur die Bibel habe – hätte ich mit ihm ja nicht so sprechen können, wie ich es eben allein mit Dir kann.“ (Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, Dietrich-Bonhoeffer-Werke Band 8, S. 186).

Eberhard Bethge schreibt in seiner umfangreichen Bonhoeffer-Biographie, dass Harald Poelchau öfters illegal in Bonhoeffers Zelle war und dass er Gebete Bonhoeffers an Mitgefangene verteilt hat, aber nicht, dass Poelchau Bonhoeffer gebeten hat, diese Gebete zu schreiben – das bleibt wohl unklar: „Der zweite Pfarrer war Dr. Harald Poelchau, regulärer Gefängnispfarrer in Staatsdiensten, und so eigentlich nur für den Zivilteil des Tegeler Baues zuständig. Aber aufgrund seiner genauen Lokal- und Personalkenntnis wagte er seit Ende 1943 immer öfter den illegalen Schritt in Bonhoeffers Zelle. Er merkte …, welch einen ‚Hilfsprediger‘ man da unerwarteterweise im Gefängnis hatte … Zu Weihnachten 1943 verfaßte er [Bonhoeffer] Gebete für die Gefangenen. Sie entsprangen seiner eigenen Gebetspraxis, seinem täglichen Umgang mit dem Psalter und den Chorälen. Er machte keine Abstriche, weder in der trinitarischen Anrede noch in der biblischen Sprache. Die Gefängnispfarrer Dannenbaum und Poelchau, die sich illegal Zugang bei Bonhoeffer verschafft hatten, verteilten dann die Gebete in den Zellen.“ (Eberhard Bethge: Dietrich Bonhoeffer: Theologe – Christ – Zeitgenosse, S. 956 und 954)

Bonhoeffer hat drei Gebete für Gefangene geschrieben: Morgengebet, Abendgebet, Gebet in besonderer Not.

Morgengebet - hier wird deutlich, dass Bonhoeffer oft trinitarisch (Vater - Sohn – Heiliger Geist) betet:

„Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen
hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;
ich kann es nicht allein
In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht
ich bin einsam, aber du verläßt mich nicht
ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe
ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden
in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld
ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den rechten Weg für mich.
Vater im Himmel,
Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht

Lob und Dank sei dir für den neuen Tag
Lob und Dank sei dir für alle deine Güte und Treue
in meinem vergangenen Leben.
Du hast mir viel Gutes erwiesen,
laß mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.
Du wirst mir nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann.
Du läßt deinen Kindern alle Dinge zum besten dienen.
Herr Jesus Christus,
du warst arm und elend, gefangen und verlassen wie ich.

Du kennst alle Not der Menschen,
du bleibst bei mir, wenn kein Mensch mir beisteht
du vergißt mich nicht und suchst mich,
du willst, daß ich dich erkenne und mich zu dir kehre
Herr, ich höre Deinen Ruf und folge.
Hilf mir!
Heiliger Geist,
gib mir den Glauben,

der mich vor Verzweiflung und Laster rettet
Gib mir die Liebe zu Gott und den Menschen,
die allen Haß und alle Bitterkeit vertilgt,
gib mir die Hoffnung,
die mich befreit von Furcht und Verzagtheit.
Lehre mich Jesus Christus erkennen und seinen Willen tun.
Dreieiniger Gott,
mein Schöpfer und mein Heiland,

dir gehört dieser Tag. Meine Zeit steht in deinen Händen.
Heiliger, barmherziger Gott
mein Schöpfer und mein Heiland
mein Richter und mein Erretter,
du kennst mich und alle meine Wege und Tun.
Du haßt und strafst das Böse in dieser und in jener Welt
ohne Ansehen der Person,
du vergibst Sünden,
dem der dich aufrichtig darum bittet
und du liebst das Gute und lohnst es
auf dieser Erde mit getrostem Gewissen
und in der künftigen Welt mit der Krone der Gerechtigkeit.
Vor dir denke ich an all die Meinen,
an die Mitgefangenen und an alle
die in diesem Hause ihren schweren Dienst tun.
Herr erbarme dich
Schenk mir die Freiheit wieder
und laß mich derzeit so leben,
wie ich vor dir und vor den Menschen verantworten kann.
Herr, was dieser Tag auch bringt – dein Name sei gelobt.“

(Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, Dietrich-Bonhoeffer-Werke Band 8, S. 204 – 206)

Abendgebet – mit diesem schließen wir unsere monatlichen Versammlungen:   

„Herr mein Gott,
ich danke dir, daß du diesen Tag zu Ende gebracht hast.
ich danke dir, daß du Leib und Seele zur Ruhe kommen läßt
Deine Hand war über mir und hat mich behütet und bewahrt.
Vergib allen Kleinglauben und alles Unrecht dieses Tages
und hilf daß ich gern denen vergebe,
die mir Unrecht getan haben
Laß mich in Frieden unter deinem Schutze schlafen
und bewahre mich vor den Anfechtungen der Finsternis.
Ich befehle dir die Meinen,
ich befehle dir dieses Haus,
ich befehle dir meinen Leib und meine Seele.
Gott, dein heiliger Name sei gelobt. Amen.“

(Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, Dietrich-Bonhoeffer-Werke Band 8, S. 207)

Gebet in besonderer Not:

„Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf
Gib Kraft zu tragen, was du schickst.
laß die Furcht nicht über mich herrschen.
sorge du väterlich für die Meinen,
besonders für Frau und Kinder,
schütze sie mit deiner starken Hand
vor allem Übel und vor aller Gefahr.

Barmherziger Gott,
vergib mir alles, was ich an dir
und an Menschen gesündigt habe.
Ich traue deiner Gnade
und gebe mein Leben ganz in deine Hand
Mach du mit mir,
wie es dir gefällt und wie es gut für mich ist.
Ob ich lebe oder sterbe,
ich bin bei dir und du bist bei mir, mein Gott
Herr ich warte auf dein Heil und auf dein Reich.
Amen“

(Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung, Dietrich-Bonhoeffer-Werke Band 8, S. 208)

 

Fragen:

  • Welches Gebet hat Dich besonders angesprochen?
  • Hast Du auch einmal eigene Gebete geschrieben?
  • Warst Du auch einmal in besonderer Not?
  • Welche Gründe siehst Du, dass Poelchau, aber nicht Bonhoeffer von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern geehrt wurde?

Lesen wir bis zum Rundbrief September 2025: Psalm 76; Matthäus-Evangelium, Kapitel 9, die Verse 27 - 34.                       

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe