Rundbrief 2025-06 Das Zeugnis eines Boten

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief Juni 2025!

Dietrich Bonhoeffer wurde vor allem durch seine Briefe aus der Haft weltberühmt, die sein bester Freund Eberhard Bethge gesammelt und in dem Buch „Widerstand und Ergebung“ veröffentlicht hat. Die Erstausgabe dieses Buches erschien bereits 1951.

Texte von Dietrich Bonhoeffer, wie zum Beispiel sein berührendes Gedicht „Von guten Mächten“ wurden allerdings schon 1945 in dem Heft „Das Zeugnis eines Boten. Zum Gedächtnis von Dietrich Bonhoeffer“ veröffentlicht. Dieses Heft wurde im Rahmen der Seelsorge an deutsche Kriegsgefangene verteilt und vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf herausgegeben.

In der Einleitung dieses Heftes steht die erste stichhaltige Würdigung von Bonhoeffers Leben: „Im Mai 1945 … wurden wir von der Nachricht erschreckt, dass Dietrich Bonhoeffer im Vernichtungslager der S. S. zu Flossenbürk/Bayern kurz vor dem Eintreffen der amerikanischen Truppen ermordet worden sei. Wie wir später erfuhren, ist er am 9. April 1945 um 6 Uhr morgens in diesem Lager durch die S. S. getötet worden. Der gewaltsame Tod dieses Christuszeugen bedeutet einen schweren Verlust nicht nur für die Bekennende Kirche in Deutschland, sondern auch für die gesamte ökumenische Bewegung. Beide verlieren in ihm einen hochbegabten und glaubensstarken Mitstreiter, und alle, die ihm nahestanden, einen unersetzlichen Freund … Die Zeugnisse und Berichte, die wir hier der Öffentlichkeit übergeben, wollen Dietrich Bonhoeffer noch einmal zu Wort kommen lassen. Er selbst hat nie seine eigene Ehre, sondern stets nur die seines Herrn gesucht. Dietrich Bonhoeffer, der heim gegangen ist zu seines Herrn Freude, ruft uns in die Nachfolge Jesu Christi … Nur wer ihn gekannt hat, vermag den Verlust zu ermessen, den seine Familie, seine Braut und seine Freunde beklagen und beweinen. Sein Tod hat nicht nur Deutschland, sondern die Christenheit schlechthin um einen seiner durch alle Gaben des Geistes und des Gemütes gleich ausgezeichneten Wegbereiter des Christentums beraubt.“ (a. a. O., S. 3 – 5 und S. 17)

Folgende Texte Bonhoeffers sind in diesem Heft abgedruckt: Auszüge aus dem Buch „Nachfolge“, Auszüge aus dem Aufsatz „Bekennende Kirche und Ökumene“, Auszüge aus dem Buch „Gemeinsames Leben“, die Gedichte „Nächtliche Stimmen“, Christen und Heiden“, Wer bin ich?“, „Der Tod des Mose“, „Von guten Mächten“, die Abhandlung „Nach zehn Jahren“, „Gedanken zur Taufe“ und zur „Diesseitigkeit des Christentums“.

Dieses erbauliche Heft hat auch der deutsche Komponist Paul Winter in seiner amerikanischen Kriegsgefangenschaft von 1945 – 1947 erhalten. Besonders das Gedicht „Von guten Mächten“ muss ihn berührt und inspiriert haben, eine Melodie zu diesem Gedicht zu komponieren, die aufgrund der Nachforschungen Eckhard Webers von der Internationalen Bonhoeffer Gesellschaft wahrscheinlich die erste Vertonung dieses Gedichtes ist und zum Jahreswechsel 1946/1947 entstand (siehe: www.dietrich-bonhoeffer.net / Beitrag vom 31. März 2025!).

Paul Winter wurde am 29. Januar 1894 in Neuburg an der Donau (Bayern) geboren und  starb am 1. März 1970 in München. Er war nicht nur Komponist, sondern auch ein Generalleutnant im Zweiten Weltkrieg. Aufgrund seiner vielen Kompositionen hat er zahleiche Ehrungen erhalten und wurde auch Ehrenbürger seiner Heimatstadt Neuburg an der Donau. Anlässlich seines 90. Geburtstages wurde die „Staatliche Knaben-Realschule“ in Paul-Winter-Realschule umbenannt. Zu seinem 100. Geburtstag wurde an seinem Geburtshaus eine Bronzetafel angebracht. Außerdem wurde in Neuburg eine Straße nach ihm benannt. Aufgrund von Recherchen des Stadtarchivs Neuburg und eines Historikers über seine Vergangenheit wurden ihm posthum eine Verstrickung und Mitschuld in nationalsozialistische Kriegsverbrechen vorgeworfen. Daraufhin erfolgte am 1. August 2024 die Umbenennung der Realschule. Die Straße trägt zwar weiterhin seinen Namen, das Straßenschild wurde aber um Informationen zu Winters NS-Zeit ergänzt. Von der Ernennung zum Ehrenbürger hat sich die Stadt distanziert. Vielleicht hat aber das Heft mit Bonhoeffers Texten und vor allem das Gedicht „Von guten Mächten“ zu einer Umkehr mit einem Neuanfang im Leben und Glauben Paul Winters geführt. Seine Melodie zum Gedicht „Von guten Mächten“ kann durchaus als ein wichtiger Schritt in diese Richtung angesehen werden, auch wenn diese (noch) nicht an die Bekanntheit der Melodien von Otto Abel und von Siegfried Fietz heranreicht. (Siehe meinen Rundbrief von Dezember 2024 über Bonhoeffers Gedicht!).         

Weitere Informationen zu Paul Winters Vertonung, das handgeschriebene Notenblatt und die Möglichkeit, die Melodie anzuhören gibt es unter folgendem Link:
https://www.dietrich-bonhoeffer.net/ibg-aktuell/ibg-einzelmeldung/news/die-erste-vertonung-von-von-guten-maechten/

Fragen:

  • Hast Du mal etwas von Paul Winter gehört oder gelesen?
  • Ist es für Dich gerechtfertigt, wenn Paul Winters Ehrungen durch Recherche in sein vergangenes Leben aberkannt wurden?

Lesen wir bis zum Rundbrief Juli 2025: Psalm 74; Matthäus-Evangelium, Kapitel 9, die Verse 14 – 17.                          Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe