Rundbrief 2025-03 Wer war Klaus Bonhoeffer?

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HAPAX und ein herzliches Hallo zum Rundbrief März 2025!

„Ich lehne den nationalsozialistischen Staat ab, insbesondere mit Rücksicht auf seine Politik in der Kirchen- sowie Judenfrage sowie wegen der fehlenden Garantien der Rechtssicherheit. Die politische Zielsetzung, die uns die ganze Welt zum Feind gemacht hat, erscheint mir zu hoch und unrichtig.“ (Quelle: Jacobsen, Hans-Adolf: „Spiegelbild einer Verschwörung“. Geheime Dokumente aus dem ehemaligen Reichssicherheitshauptamt Band 1, Stuttgart 1984, S. 443.)

Dies sind Worte Klaus Bonhoeffers (1901 – 1945), einem älteren Bruder Dietrich Bonhoeffers. Ihre Eltern Paula (1876 – 1951) und Karl Bonhoeffer (1868 – 1945) verloren vier Familienmitglieder durch ihren Widerstand gegen das NS-Regime: ihre beiden Söhne Klaus und Dietrich, ihre Schwiegersöhne Rüdiger Schleicher (1895 – 1945, war verheiratet mit Dietrichs Schwester Ursula) und Hans von Dohnanyi (1902 – 1945, war verheiratet mit Dietrichs Schwester Christine). Klaus wurde zusammen mit seinem Schwager Rüdiger am 10. Oktober 1944 verhaftet, am 2. Feber 1945 zum Tode verurteilt und am 23. April 1945 in Berlin erschossen. Dietrich wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet, sein Schwager Hans am gleichen Tag im KZ Sachsenhausen.        

„Wer war Klaus Bonhoeffer?“, so heißt die einzige umfangreiche Monographie über ihn von der Dietrich Bonhoeffer-Expertin Jutta Koslowski, die 2023 erschien. Während über Dietrich sehr viele Schriften und Bücher und auch Dietrichs Werke in den 17 Bänden der Dietrich-Bonhoeffer-Werke erschienen, gibt es außer der neuen Monographie nur wenige kleinere Schriften über Klaus, unter anderem das berührende Buch seiner Ehefrau Emmi (1905 – 1991): „Emmi Bonhoeffer: Bewegende Zeugnisse eines mutigen Lebens“, Berlin 2004. Klaus war im Gegensatz zu Dietrich eine treibende Kraft im politischen Widerstand gegen Hitler und konnte auch wegen seiner Tätigkeiten als Chefsyndikus der Lufthansa in Berlin zahlreiche Brücken und Kontakte zu anderen Widerstandskreisen herstellen.

Jutta Koslowski beschreibt aufgrund ihrer Recherchen Klaus Bonhoeffer: „Als erstes ist vielleicht seine Leidenschaftlichkeit zu nennen … Diese … war auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet – und dieses Ziel bestand vor allem in Gerechtigkeit … der christliche Glaube [spielte] für Klaus Bonhoeffer eine fundamentale Rolle … [Er war] kein Asket, sondern ein Genießer, der das Leben liebte – gutes Essen, edler Wein, stilvolle Kleidung, zahlreiche Reisen in fremde Länder … Auch liebte er das Lernen … Neben Latein und Griechisch … [hatte er] Kenntnisse … in Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Schwedisch, Finnisch und Holländisch … Er war musikalisch sehr begabt - seit seiner frühen Kindheit und Zeit seines Lebens spielte er mit viel Gefühl Cello … Überhaupt spielte Kunst eine große Rolle … Seine Konflikte mit Vorgesetzten setzten sich nach der Schulzeit im Berufsleben fort … dann ergriff Adolf Hitler die Macht, und Klaus Bonhoeffers Gerechtigkeitssinn und Widerspruchsgeist wurden ultimativ zum Handeln herausgefordert … Auch machte er sich keine Illusionen darüber, dass der Widerstand ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben kosten würde … Klaus Bonhoeffer war ein Beziehungsmensch … Trotz seines wichtigen Beitrags zur Konspiration im so genannten Dritten Reich ist Klaus Bonhoeffer bisher eine der großen Unbekannten geblieben … Während Dietrich Bonhoeffer postum zu großer Berühmtheit gelangte, ist sein älterer Bruder Klaus weitgehend dem Vergessen anheimgefallen. Darunter haben sein Witwe Emmi und seine drei Kinder zeitlebens gelitten … Ein … Beispiel: Die Berliner Gedenktafel, die am 1. September 1988 vor dem Bonhoeffer-Haus in der Wangenheimstraße 14 enthüllt worden ist, enthält keinerlei Hinweise auf Klaus Bonhoeffer …“ (Quelle: Jutta Koslowski, a. a. O. S. 447 – 451)

Klaus Bonhoeffer war ein Beziehungsmensch. Das dürften nicht nur seine Eltern, Schwestern und Brüder, sondern auch seine Ehefrau Emmi und seine Kinder Thomas (1931 – 2023), Cornelie (geboren 1934) und Walter (geboren 1938) gespürt haben. In seinem Abschiedsbrief an seine Kinder zu Ostern 1945 (1. April) schrieb er: „Ich werde nicht mehr lange leben und will nun von Euch Abschied nehmen … Vor allem haltet weiter in Liebe, Vertrauen, Ritterlichkeit und Sorge fest zu Mama, so lange Gott sie Euch erhält … Haltet auch ihr Geschwister fest und immer fester zusammen … Ist einer traurig oder mißmutig, kümmert Euch, bis er wieder heiter ist … Der Wappenring an meiner Linken mahnt an die Familie … Er sagt: Höre die Stimme der Vergangenheit. Verliere dich nicht selbstherrlich an die flüchtige Gegenwart … Die Ehrfrucht vor der Vergangenheit und die Vergangenheit gegenüber der Zukunft geben fürs Leben die rechte Haltung … Hört nicht auf billigen Beifall. Die Menschen, die Euch sonst begegnen, nehmt, wie sie sind. Stoßt euch nicht gleich an dem, was fremd ist oder Euch mißfällt, und schaut auf die guten Seiten … Pflegt [die Höflichkeit] als feine, lebenskluge Kunst des Herzens. Wer es versteht, die Menschen, die von Macht und Einfluß sind, recht zu nehmen, ohne an innerer Freiheit einzubüßen, kann dann viel Gutes wirken … Sucht aber nicht den Wert der Bildung in den höheren Leistungen, zu denen sie Euch befähigt, sondern darin, daß sie den Menschen adelt durch die innere Freiheit und Würde, die sie ihm verleiht … Entwickelt Eure Gaben aus dieser Kraft zum Können und zur Tüchtigkeit … Ich wünsche Euch, daß Ihr, solange Ihr jung seid, recht viel im Lande wandert … beim Wandern hat man noch die rechte Muße. Sich der Landschaft und den Eindrücken von Menschen … ganz zu überlassen … Die Zeiten des Grauens, der Zerstörung und des Sterbens, in denen ihr … aufwachst, führen den Menschen die Vergänglichkeit alles Irdischen vor Augen … Dringt in die Bibel ein und ergreift selbst von dieser Welt Besitz, in der nur gilt, was Ihr erfahren und Euch selbst in letzter Ehrlichkeit erworben habt. Dann wird Euer Leben gesegnet und glücklich sein. Lebt wohl! Gott schütze Euch! In treuer Liebe umarmt Euch Euer Papa.“ (Quelle: Emmi Bonhoeffer, a. a. O. S. 41 - 45)

In seinem Abschiedsbrief an seine Eltern schrieb Klaus: „Ich bin aber darauf gefaßt, daß mein Leben bald abläuft … Aber ich will ja nicht nur leben, sondern mich eigentlich erst einmal auswirken. Da dies nun wohl durch meinen Tod geschehen soll, habe ich mich auch mit ihm befreundet … Es ist jedenfalls eine sehr viel klarere Aufgabe zu sterben, als in verworrenen Zeiten zu leben, weshalb seit je die glücklich gepriesen wurden, denen der Tod als Aufgabe bestimmt war … Es ist das Leben, das ich Euch verdanke in seinem Reichtum durch die große Familie … Nun lebt wohl, lieber Papa und liebe Mama. Wir wollen aus diesen Ostertagen neue Hoffnungen schöpfen, daß dieses Jahr den äußeren und seelischen Frieden bringt …“ (Quelle: Eberhard und Renate Bethge (Hg.): Letzte Briefe im Widerstand. Aus dem Kreis der Familie Bonhoeffer, München 1984, S. 51 f.)

Klaus Bonhoeffer wollte sich durch seinen Tod auswirken. Sein Wunsch war wohl eine Anspielung auf das stellvertretende Sühneopfer Jesu, wie eine zentrale Glaubensaussage des Christentums heißt. Demnach haben Klaus Bonhoeffer, die anderen drei Widerstandskämpfer seiner Familie und etliche andere durch ihren Tod für die Verbrechen derjenigen gesühnt, die sie bekämpft haben und somit auch zum äußeren und seelischen Frieden im damaligen Deutschland beigetragen.

Fragen zum Nachdenken:

  • Hast Du von Klaus Bonhoeffer gewusst? Was weißt Du über ihn?
  • Welche Eigenschaften Klaus Bonhoeffers haben Dich angesprochen?
  • Welche Aussage des Abschiedsbriefes an seine Kinder haben Dich berührt?
  • Wie deutest Du seine Aussage: „Aber ich will ja nicht nur leben, sondern mich eigentlich erst einmal auswirken. Da dies nun wohl durch meinen Tod geschehen soll …“?
  • Worin und womit willst Du dich mit Deinem Leben auswirken?

Lesen wir bis zum Rundbrief April 2025: Psalm 72; Matthäus-Evangelium, Kapitel 9, die Verse 1 – 7                                      

Liebe Grüße, Euer Obmann Uwe